Gesellschaft für Arterhaltende Vogelzucht e.V.

 


Das Schwalbensittich-Projekt - Der bisherige Verlauf

Nachdem sich bereits Jahre zuvor ein negativer Populationstrend des Schwalbensittich-Bestandes in freier Wildbahn andeutete stufte die International Union for Conservation of Nature (IUCN) diese Spezies im Jahr 2015 in seinem Bedrohungsstatus hoch. Der Bedrohungsstatus "Critically endangered" (vom Aussterben bedroht, extrem hohes Risiko des Aussterbens in der Natur in unmittelbarer Zukunft) weist darauf hin, dass eine Art in den kommenden 15 Jahren von unserem Planeten verschwinden könnte. Sofort nach dem Bekanntwerden dieser Maßnahme gründete die Gesellschaft für Arterhaltende Vogelzucht (GAV) e.V. eine Initiative für den Erhalt des Schwalbensittichs in menschlicher Obhut. 

In einer Pressemitteilung vom 31.10.2015 wird auf die Bedrohungssituation hingewiesen und um Unterstützung bei den privaten Züchtern in ganz Europa gebeten. Zuvor gab es bereits Absprachen mit Simon Bruslund (EAZA Parrot TAG) über eine enge Zusammenarbeit von EAZA und GAV. Nach ersten Projektanmeldungen wurde mit der Erfassung der Schwalbensittiche begonnen, die zur Teilnahme an der Projekt geeignet erschienen. 

Um überhaupt Vergleiche mit australischen Schwalbensittichen vornehmen zu können, kümmerten sich die Initiatoren des Projektes in der weiteren Folge um entsprechendes Ausgangsmaterial für die bevorstehende Arbeit. Insgesamt wurden an 67 Museumsbälgen Maße genommen, die ohne Weiteres am lebenden Exemplare reproduzierbar sind. Die ausgewählten Bälge mussten unbedingt direkt aus der Natur entnommen worden sein. 3 dieser Sammlungsstücke erfüllten dieses Kriterium nicht, so dass uns letztendlich noch 64 aussagekräftige Exemplare zur Verfügung standen; 34 befanden sich allein in den Museums Victoria, Australien. Weiterhin waren das Naturkundemuseum Stuttgart, Göteborgs Naturhistorisches Museum, das Naturhistorische Museum in Kopenhagen, die Naturhistorische Sammlung vom Museum Wiesbaden, das Naturhistorische Museum Wien, das Brussels Museums in Brüssel, das Zoologische Museum Berlin, das Naturhistorische Museum Basel, das Zoologische Museum Frankfurt, das Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg, das Staatliche Naturhistorische Museum Braunschweig, das Natural History Museum in Exeter sowie das Natural History Museum in Bristol an der Bereitstellung von Balgmaterialien behilflich. Neben den Vermessungen war auch die Färbung der Wildvögel interessant, um eventuelle Farbabweichungen bei Zuchtvögeln sofort eindeutig zu erkennen. 

Nachdem die geeigneten Schwalbensittiche aufgrund äußerer morphologischer Merkmale ermittelt worden sind, wurden die ersten Kombinationsuntersuchungen auf das aviäre Polyomavirus (APV) und das Circovirus der Papageien (PBFD) durchgeführt. Dabei ist es gelungen mit dem Institut für Molekulare Diagnostik (IMDB) in Bielefeld einen Vertrag einzugehen, der diese Untersuchungen dort zu einem wesentlich günstigeren Preis durchführen lässt. Um weitere mögliche Teilnehmer für das Projekt zu finden, wurde am 24.11.2016 eine weitere Pressemitteilung herausgegeben. 

Am 29.07.2017 traf sich größte Teil der Projektteilnehmer im Naturkundemuseum Erfurt, um dort das weitere Vorgehen gemeinsam zu beraten. Während des Treffens wurden die zurückliegenden Aktivitäten erläutert. So waren dies beispielsweise auch erste Kontakte zu Mitarbeitern des Swift Parrot Recovery Teams, die sich bereits seit Jahren durch verschiedene Aktivitäten direkt in Tasmanien um den Erhalt des Schwalbensittichs kümmern. Dieses Team in Australien bemüht sich um den Erhalt der wichtigen Bruthabitate und bewirkt durch die Bereitstellung spezieller künstlicher Nistkästen, dass Kurzkopfgleitbeutler (Petaurus breviceps) der Zugang in das Innere dieser Nisthöhlen wesentlich erschwert wird. In Erfurt wurden 4 Arbeitsgruppen gebildet, die sich aus Mitarbeitern zoologischer Einrichtungen und auch Privatzüchtern zusammensetzten und sich um die Erarbeitung von "Best Practice Guidelines" kümmern, die veterinärmedizinischen Aspekte in der Projektführung betrachten, das professionelle Zuchtbuchmanagement starten und schließlich auch das Management des gesamten Projektes im Auge behalten und weiter planen. 14 Teilnehmer waren an diesem Tag in Erfurt zugegen, aus der Schweiz, Österreich, Dänemark und Deutschland.

In den darauffolgenden Tagen wurde ein Fragebogen vorbereitet, der wesentlich zur Gestaltung der Best Practice Guidelines beitragen sollte. Des Weiteren wurde ein Einstellungsvertrag erarbeitet, mit dem sich alle Nicht-EAZA-Mitglieder dazu bereiterklären, ihre Schwalbensittiche dem Gesamtprojekt zu übereignen. Mit dieser vertraglichen Vereinbarung sollen die negativen Erfahrungen aus den bislang privatgeführten Zuchtprojekten beseitigt werden, in denen Privatzüchter zu jedem Zeitpunkt wieder ein solches Projekt mit ihren Vögeln verlassen können. Die zukünftige Verpflichtung von teilnehmenden Privatpersonen Vögel für ein Arterhaltungsprogramm kostenlos zur Verfügung zu stellen, kann fortan nicht mehr nur als pures Lippenbekenntnis bezeichnet werden, sondern liefert einen wirklichen persönlichen Beitrag einer Privatperson für eine derartige Initiative. Natürlich hielt diese Vorgabe auch viele Privatzüchter von Schwalbensittichen davon ab, sich diesen Bemühungen um den Erhalt einer Spezies nicht anzuschließen. Dieser sich daraus ergebene Effekt war den Initiatoren durchaus bewusst; letztendlich entschied man sich dazu ausschließlich mit verlässlichen Privatleuten zusammenarbeiten zu wollen.  

Am 10.03.2018 fand im Zoo Berlin das zweite Projekttreffen statt, wieder trafen sich dort Zoomitarbeiter und Privatzüchter zu einer gemeinsamen Beratung. Diesmal war dann auch Chris Mitchell vom Drayton Manor Park Staffordshire unter den 16 Teilnehmern. Fleming Nielsen vom Zoo Kopenhagen berichtete über seine Kontakte zu Vertretern der australischen Regierung. Dort war zu diesem Zeitpunkt keine Zusammenarbeit mit Privatleuten vorgesehen und selbst die Beteiligung australischer Züchter zum Erhalt des Schwalbensittichs wurde von Regierungsseite abgelehnt. Der Vorschlag von Chris Mitchell zeigte großes Interesse. Ihm hat Prof. Richard Presiozi von der Manchester Metropolitan University angeboten eine Studie über die Verwandtschaft von Schwalbensittichen in Menschenhand durchzuführen, unter Verwendung von Marken wildlebender Schwalbensittiche. Bei einer Forschergruppe an der University of Birmingham bestand Interesse Verhaltensstudien an wilden Schwalbensittichen und Individuen in Menschenhand durchzuführen, die eventuell wertvoll sein könnten, wenn tatsächlich einmal Vögel zur Aufstockung des Wildbestandes nach Australien gebracht werden sollen. Nils Becker ergänzte dazu, dass an der Universität Oldenburg 30 Schwalbensittiche kostenlos auf deren verwandtschaftliche Nähe hin getestet werden könnten. Simone Haderthauer vom Tiergarten Schönbrunn stellte die Auswertung der ersten Fragebogenaktion vor, die durchaus als zufriedenstellend bezeichnet werden konnte. Thema war in diesem Zusammenhang auch die weitere Vervollständigung der Best Practice Guidelines, in die eine Zusammenfassung der Fragebogenergebnisse einfließen soll, aber auch die Handhabung der Messungen am lebenden Vogel. Die für Letzteres notwendigen Daten und Bildmaterialien liefert Jörg Asmus von der GAV. Ein weiterer wichtiger Punkt des Treffens in Berlin war es die wichtigsten medizinischen Test auszuwählen, die zunächst vordergründig für eine Einstellung von Schwalbensittichen in das Projekt vorzunehmen sind. Durch Florian Schäfer vom Naturkundemuseum Erfurt wurde die weitere Herangehensweise bezüglich des Zuchtmanagements erläutert. Jörg Asmus stellte dann noch die Teilnahmebedingungen vor, unter denen sich Nicht-EAZA-Mitglieder in das Zuchtprojekt einbringen können. 

Im Zoo Schwerin fand am 19.10.2019 das dritte Projekttreffen statt. Hier gab Simon Bruslund (EAZA Parrot TAG, Vogelpark Marlow) bekannt, dass innerhalb der EAZA die Entstehung eines European Endangered Species Program (EEP) geplant ist. Daraus ergibt sich eine völlig neue Herangehensweise zukünftiger Aktivitäten. EAZA-Zoos mit Schwalbensittichbeständen werden automatisch in das EEP aufgenommen und die Schwalbensittiche dieser Zoos somit fester Bestandteil einer solchen Initiative. Die Projektteilnehmer, die nicht der EAZA angehören, dazu zählen einige zoologische Einrichtungen aber auch Privatpersonen, werden unter dem Dach der GAV vereint und dort als Gesamtbestand geführt. Die GAV könnte vom Status dann innerhalb des EEP wie eine zoologische Einrichtung betrachtet werden und so auch offizieller Teilnehmer des EEP werden. Mit diesem Vorhaben könnte der Gesamtbestand von etwa 90 Schwalbensittichen in EAZA-Zoos deutlich angehoben werden, mit dem kurzfristigen Ziel etwa 200 Schwalbensittich in dem EEP zu vereinen. Sabrina Höft vom Zoo Schwerin stellte die Best Practice Guidelines als Entwurf vor, die nach finaler Bestätigung weiterer Zoomitarbeiter an alle Projektteilnehmer weitergereicht wird. In Schwerin erklärte sich Sabrina Höft des Weiteren dazu bereit in Zukunft das Zuchtbuch für den Schwalbensittich zu managen. 

Mit Abschluss 2023 stellt sich die Situation so dar, dass 7 Halter den Bestand aller Schwalbensittiche stellen, die über die GAV in das Erhaltungszuchtprojekt eingegliedert sind. Diese 7 Halter setzen sich 5 Privathalter und 2 institutionelle Einrichten zusammen. Bei letztgenannten handelt es sich um Einrichtungen, die nicht Mitglied der EAZA sind. Am 31.12.2023 wurden von diesen 7 Haltern insgesamt 54 Schwalbensittiche gehalten, unter denen sich 16 Jungvögel befinden, die allein im Jahr 2023 nachgezogen wurden. 15 von diesen Jungvögeln sollen nach Empfehlung der Zuchtbuchkoordinatorin an europäische Zoos vermittelt werden, die an dem Erhaltungszuchtprojekt teilnehmen. Ein solches Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, denn mit diesem Bestand nimmt die GAV eine bedeutende Rolle innerhalb dieser Initiative ein. Letztendlich soll an dieser Stelle auch all denjenigen gedankt werden, die sich bisher engagiert in das Schwalbensittich-Projekt eingebracht haben und ihre Vögel aus Gründen des Arterhalts zur Verfügung stellten bzw. noch stellen werden.